Purpose – das ewige Missverständnis

Die letzten Wochen vor Weihnachten habe ich mich regelmäßig beim Augenrollen ertappt.

Überall wurde über emotionale und Bedeutungsschwangere Weihnachtskampagnen geschrieben, sie wurden analysiert oder in Rankings gezwängt.

Emotionale Kampagnen per se sind ja nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Wir wissen: so werden Marken erlebbar und können Nähe schaffen. Ich selbst war ganz vorne dabei: mit meiner Betroffenheit als Edeka seinen Regentropfen auf die verzweifelte Reise, eine Schneeflocke werden zu wollen, geschickt hat. Ich mag Edeka. Aber nehme ich ihnen das Thema des konsequenten Klimaschutzes ab?

Für mich wird es schwierig, wenn im Zusammenhang mit Kampagnen von sogenannter Purpose-Kommunikation oder Haltungskampagnen die Rede ist.

Mir hat sich noch nie erschlossen, was eine Haltungskampagne überhaupt sein soll? Oder Purpose-Marketing? Meines Erachtens dürfte es diese Termini nicht einmal geben.

Ich bin eine Purposeversteherin und glaube an Sinnstiftung im Unternehmen. Bereits vor der Pandemie, seither nicht minder. Wie das zusammenpasst?

Nun:

Purpose ist kein Feigenblatt, kein heißer Scheiß, kein Mythos, kein Mittel zum Zweck und kein Bluff.

Vielmehr geraten Unternehmen und Marken, die nur für ihre Kommunikation auf den Purpose-Zug springen, ohne vorab ihre Unternehmensstrategie aufrichtig und stringent an Purpose und Vision ausgerichtet zu haben, in Gefahr als großer Bluff wahrgenommen zu werden. In diesen Zeiten einmal mehr, da besonders viele Menschen nach Marken suchen, die den Sinn stiftenden Unterschied machen. Und auch nie mehr Menschen als heute nach Arbeitgebern suchen, die ihnen die Chance auf mehr Erfüllung und Freiraum bieten. Entsprechend kritisch sind sie, wenn ihnen etwas vorgemacht wird.

Der Purpose eines Unternehmens beschreibt zwar zusammengefasst den Beitrag, den es in der Welt leistet, jenseits der reinen Gewinnerzielung.

Dem voran gehen allerdings viele Fragen, die entweder die Weichen für das Geschäftsmodell und -gebaren an sich stellen oder dieses in Phasen der Transformation hinterfragen und iterieren.

Fragen wie:

  • „Was lieben wir, zu tun?“
  • „Was können wir richtig gut?“
  • „Wofür braucht die Welt gerade uns?“

sind nur einige Wegbereiter für einen tragfähigen Purpose (s.a. „Conscious Marketing“, Carolyn Tate).

Die Überzeugung, dass jeder Purpose automatisch mit einer sozial-nachhaltigen Weltretter-Mission verbunden sein muss, ist der wirkliche Mythos. Er erzeugt enormen Druck und führt zu hoher Unsicherheit in Unternehmen.

So manches Unternehmen entzieht sich folglich lieber der internen Purpose Diskussion. Strebt ein Unternehmen eine soziale Mission an, ist es in der sog. Purpose-Pyramide (s.a. „Great at Work“, Morten Hansen, ein Modell, welches man meines Erachtens auch auf Unternehmen und Marken anwenden kann) auf der höchsten von drei Stufen.

Ein Unternehmen, das einen echten Mehrwert und Nutzen für Kund:innen bereithält befindet sich aber bereits auf der ersten Stufe und damit auf einem guten Weg. Es muss der Welt nicht erzählen, es sei bereits an der Spitze der Pyramide.

Diese Erkenntnis kann sehr entlastend und erleichternd sein. Auch so mancher Konzern darf sich dies zu Herzen nehmen, anstatt z.B. einen auf Klimaschutz ausgerichteten Claim als Mittel zum Zweck einzusetzen, obwohl es im Inneren erheblich hakt, schaut man auf Lieferketten, Prozesse, Unternehmensphilosophie oder gar Geschäftsmodell an sich.

Die Sache erscheint einfacher, wenn Sinn und Wunsch nach Wandel von Beginn an in einer Organisation verankert sind und etwa SGDs glaubhaft gelebt werden können. Dies ist v.a. bei Sozialunternehmen der Fall. Bei einem Social Impact Startup z.B. liegt der Gründungsmotivation bereits eine gewisse Portion Idealismus und ein Sinn dafür zugrunde, Mehrwert schaffen zu wollen.

Die Chance, die hier so manches Mal vertan wird?

Purpose, Vision und Werte werden nicht mehr explizit diskutiert und festgeschrieben. Man nimmt sich häufig nicht die Zeit. Vor dem Hintergrund, dass gerade diese Organisationsformen stetigen Weiterentwicklungen und damit Veränderung unterliegen, dienen Purpose und Vision aber als hilfreiche Eckpfeiler, an denen die eigene Ausrichtung regelmäßig in Frage gestellt werden kann.

So kann überprüft werden, ob man noch auf dem richtigen Weg ist. Es kann auch helfen, „Nein“ zu sagen (zu Geschäftsbeziehungen etc.), wenn das eigene gesteckte Ziel in Gefahr ist.

Die Vision schließt daran an und zeichnet das Bild der Welt wie sie aussieht, wenn der Purpose realisiert wird. Idealerweise werden darauf aufbauend die Werte und Haltung des Unternehmens sowie strategische Entscheidungen abgeleitet.

Ist der Purpose immanent spürbar und authentisch im Wirtschaften und der Kommunikation des Unternehmens wahrnehmbar, braucht es keine expliziten Haltungskampagnen oder Purpose-Marketing.

Kommuniziert wird trotzdem, aber mit einem anderen Selbstverständnis. Ein schönes Beispiel aus 2020 bleibt das Unternehmen Patagonia, das verantwortungsbewusst wirtschaftet: im US-Wahljahr waren die in Boxershorts eingenähten Etiketten „Vote the assholes out“ Teil der offiziellen Kommunikationsstrategie, die perfekt zu Purpose und Geschäftsmodell von Patagonia passte: „In business to save our home planet.“ Klimawandel-Leugner wie Trump wollte man logischerweise nicht mehr an der Spitze der Regierung sehen.

Ein Chief Purpose Officer wie er dieser Tage in der Fachpresse für jedes Unternehmen gefordert wurde, könnte eine gute Sache sein.

Das setzt jedoch voraus, dass der Purpose im Unternehmen gefunden und herausgeschält werden möchte.

Weil ich an seine Kraft glaube, habe ich ein u.a. Design entwickelt, das Unternehmen und Marken hilft, ihren Purpose zu entwickeln oder einen bestehenden für die Organisation klar festzuschreiben.

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