Alternatives Feedback-Tool: das Werte-und Entwicklungsquadrat
Seien wir mal ehrlich: Die wenigsten von uns kritisieren gerne. Entsprechend holprig kann es manchmal werden. Oder verwaschen.
Wie etwa bei der sog. Sandwich-Methode. Not my cup of tea. Dennoch begegnet sie mir immer wieder als Maxime in Organisationen, wenn es z.B. um negative Rückmeldungen von Führungskräften an Mitarbeiter:innen geht oder auch bei der Zusammenarbeit von Projektgruppen untereinander. Ich verstehe die gute Absicht dahinter: die obere Toastscheibe repräsentiert ein Lob, das Fleisch kommt als freundliche, aber kritische Bemerkung daher und die untere Toastscheibe bestätigt nochmals die positive Botschaft. So sollte es gut verdaulich sein und niemanden demotiviert aus dem Gespräch entlassen.
In der Realität:
So werden die eigentlichen Kritikpunkte häufig versteckt.
Damit verpufft zeitgleich das Potenzial zur Weiterentwicklung, weil es gar nicht gehört wird und der Empfänger sich nur an den Toastscheiben erfreut.
Anders der Einsatz des Werte- und Entwicklungsquadrats von Friedemann Schulz von Thun.
Wenngleich im ersten Moment etwas sperrig, bin ich im Coaching bereits Fan von diesem Tool geworden. Die grundsätzliche Idee dahinter: Zu jeder positiven Eigenschaft, auch Tugend genannt, gibt es eine zweite, positive Schwestertugend. Ziel ist es, diese als einander korrespondierende Gegenüber anzuerkennen und den Spannungsbogen zwischen den beiden auszuhalten bzw in Balance zu halten. Beide, Tugend und Schwestertugend, kippen sonst in ihrer Übertreibung ins Negative ab. So macht man sich häufig selbst das Leben schwer und stolpert immer wieder über denselben (Stolper)stein.
Das Tool vereint eine wohlwollende Grundhaltung und das Vertrauen darauf, dass jede Eigenschaft auch eine positive Seite hat.
Nehmen wir dieses Beispiel:
Hier kann der Coachee für sich lernen:
Ich bin ein zuverlässiger Mensch, muss aber aufpassen, nicht zu pedantisch zu werden. Das nervt andere schnell. Deshalb achte ich gezielt darauf, auch mal etwas spontaner und flexibler zu sein. Das soll aber auf keinen Fall heißen, dass ich zukünftig völlig planlos an alles herangehe.
Wie sich dies nun für das Thema kritisches Feedback nutzen lässt?
Nun, beim Feedback starten wir mit der Würdigung einer Qualität/Tugend und geben gleichzeitig einen Hinweis, wenn diese Qualität übertrieben wird. Im Anschluss daran wird eine sehr deutliche Entwicklungsrichtung für das nächste Mal aufgezeigt. Die Botschaft: es gibt ganz klar Luft nach oben Richtung Schwestertugend. Die ursprüngliche Qualität wird aber nicht darunter leiden, denn darauf kann man immer vertrauen.
Beispielhaft könnte es wie folgt laufen:
„Ich schätze an dir, dass du deine Präsentation so lebendig und abwechslungsreich gestaltet hast, z.B. mit aktivierenden Methoden (mögliche Qualität: Lebendigkeit, Einfallsreichtum). Und gleichzeitig ist mein Eindruck, dass die Inhalte etwas in den Hintergrund geraten sind und die Zuhörer:innen etwas abgelenkt waren (mögliche Untugend: Aktionismus). Nächstes Mal wäre es gut, wenn du die Inhalte im Blick behältst und ihnen genügend Raum einräumst. So gibst du den Zuhörer:innen ausreichend Möglichkeit, die Inhalte zu reflektieren und zu verarbeiten (Mögliche Schwestertugend: Ruhe, Stabilität).
Ich bin mir sicher, bei dir besteht keine Gefahr, dass dein Vortrag dadurch langweilig würde.“
So ist die kritische Rückmeldung klar, aber wertschätzend und mit Blick nach vorne adressiert.
Dieses Mindest hinter dem Tool ist meines Erachtens das Entscheidende – und nicht, ob man sich dezidiert vor einem besonders kritischen Gespräche die 4 Felder aufmalt. Gerade in komplexen Situationen kann dies jedoch in der Vorbereitung sehr hilfreich sein.
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